Ein Notbett in
Frankfurt
Kinder und Jugendliche ohne Zuhause
Mittwoch, 23. November 2005, 20:15 Uhr
Manche sind gerade mal 12 Jahre alt, wenn sie ins "Sleep In" kommen. Zu Hause herrschen oft Chaos und Gewalt. Ein Nest mit fürsorglichen Eltern gibt's nicht, und Geborgenheit ist ein Fremdwort für sie.
Hier setzt die Arbeit der Sozialpädagogen im Frankfurter Gallusviertel an. Kostenlos schlafen, duschen, essen - das soll erst einmal helfen. Dann kann man weiter sehen. Das Angebot ist allerdings befristet. Mehr als 6 Nächte pro Monat dürfen die Jugendlichen nicht bleiben. Und wer älter als 20 ist, wird auch nicht mehr reingelassen. Das "Sleep In" soll keine bequeme Selbstverständlichkeit für die Jugendlichen werden, sondern wirklich nur Hilfe in der größten Not bieten.
Der Hessenreporter hat sich eine Weile mit einquartiert und z.B. Nadine kennen gelernt. Mit 14 hat sie ihre erste Entgiftung gemacht, mit 16 ist sie zuhause abgehauen. Seit drei Jahren schlägt sie sich irgendwie durch. Zur Zeit hofft sie im "Sleep In" auf Unterstützung bei einem dritten Drogentherapie-Anlauf.
Nadine ist eine von 500 Jugendlichen, die hier pro Jahr Hilfe suchen.
Ein Film von Christine Romann.
Quelle:
http://www.hr-online.de/website/fernsehe...cument_12906502Berlin:
Berlin gibt es mehr als 2000 Strassenkinder!!
Die Fakten
Definition, Zahlen, Tendenzen ...
Straßenkinder in Deutschland stammen aus allen gesellschaftlichen Schichten.
Es handelt sich fast ausnahmslos um Deutsche. Vernachlässigung, Beziehungslosigkeit,
Misshandlungen und/oder Missbrauch trieben sie auf die Straße.
Straßenkinder vermissen Geborgenheit. »Schule« ist kein Auslöser für den Gang
auf die Straße. Straßenkinder hatten bereits häufig Jugendhilfeerfahrung.
Materielle Not spielt nur eine zweitrangige Rolle. Die meisten Straßenkinder
stammen nicht aus den Großstädten, in denen sie sich aufhalten.
In den Metropolen nutzen sie die Anonymität als Schutz vor Entdeckung.
Herkunft
Straßenkinder:
Über den Anteil an ausländischen Straßenkindern ist wenig bekannt. Das DJI stellt dazu in seiner Studie »Straßenkinder« (S. 35 / 1995) fest: »In den von uns besuchten Anlaufstellen sind Kinder und Jugendliche ausländischer Herkunft wenig vertreten, wenn, dann vereinzelt, z. B. als Partner von Jugendlichen, die der Einrichtung bereits seit längerem bekannt sind.«
In Frankfurt nennen die Streetworker des Jugendamts eine Häufung an marokkanischen und türkischen Heranwachsenden, die jedoch meist 18 Jahre und älter sind. Ähnliche Erfahrungen machen die Mitarbeiter der Frankfurter Notschlafstelle »Sleep-in«.
Aus der mehrjährigen Beobachtung heraus zeigt sich, dass diese lokale Häufung so andernorts nicht zu erkennen ist. Allenfalls am Hamburger Hauptbahnhof fallen Gruppen türkischer Jugendlicher auf, von denen jedoch die wenigsten obdachlos sind. Polnische Jungen, die sich am Berliner Bahnhof Zoo prostituieren, halten sich in der deutschen Hauptstadt meist nur solange auf, »bis die Kohle stimmt«, und kehren anschließend wieder in ihre Heimat zurück, um dann möglicherweise Wochen später wieder in Berlin »jobben« zu gehen.
Sehr kontrovers diskutiert wird die Frage, ob Straßenkinder ein Symptom zunehmender Verarmung in Deutschland sind oder nicht. Hans-Josef Lembeck von der Hamburger Anlaufstelle für Straßen- und Bahnhofskinder »KIDS« stellte in seinem Referat zur ISA-Fachtagung »Junge Menschen in besonderen Lebenslagen« am 30.10.1995 in Hamburg fest: »(...) So käme man bei dem regelmäßig erstellten Armutsbericht für die Bundesrepublik sicherlich nicht auf die Idee, die Armut in unserem Land mit der Armut in diesen Ländern (Anm.: der 3. Welt) zu vergleichen. Dass gleichwohl auch hier Armut herrscht, und dies gerade unter der Klientel, um die es hier geht, ist unstrittig.«
Das DJI zitiert in der Studie »Straßenkinder« einen namentlich nicht genannten Experten aus den neuen Bundesländern (S. 116 / 1995): »Wir haben aus allen Klassen und Schichten Jugendliche, die dabei sind. Das ist nicht nur das Kind von Eltern, die Alkohol trinken und das aus der Situation des häuslichen Milieus geflüchtet ist. Wir haben also auch Eltern dabei, die bestsituiert sind, die mit ihren Kindern nichts mehr zu tun haben wollen.«
Ähnlich stellt sich auch das vorläufige Ergebnis der eigenen, mehrjährigen Beobachtung und Befragung von Straßenkindern dar. Es wurden deutlich mehr Kinder und Jugendliche angetroffen, deren Eltern ein Haus besaßen, als deren Eltern von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld lebten. Zwar gibt es tatsächlich eine erkennbare Zahl an Straßenkindern aus sozial schwachen Verhältnissen, aber finanzielle Not wurde von den »Kids« nicht als Grund für den Gang auf die Straße genannt.
Das Münsteraner Institut für Soziale Arbeit e.V. (ISA) hat bereits in seiner Studie »'Straßenkinder' in NRW« (1994) deutlich resümiert, wo hingegen der Ursprung zu suchen ist: »Auch wenn es nicht viele Kinder sind, die im 'Milieu', auf der Straße leben, so besteht doch kein Zweifel, dass die Lebenssituation dieser Kinder und jüngeren Jugendlichen (10-15 Jahre) nicht selten dramatisch und von vielfältigen Gewalt-, Missbrauchs- und Vernachlässigungserfahrungen geprägt ist (...). Den familiären Wohnbedingungen (Wohnungsnot) kommt als Ursache der Straßenszenen allenfalls eine mittelbare Wirkung zu.«
Diese Einschätzungen des ISA für Nordrhein-Westfalen lassen sich auf alle Bundesländer übertragen und bestätigen die eigenen Beobachtungen, wonach nahezu alle interviewten Straßenkinder von Vernachlässigung, Beziehungslosigkeit bis hin zu unvorstellbar grausamer Misshandlung berichten. Die damals aufgezeigten Tendenzen haben sich in den vergangenen Jahren immer und immer wieder bestätigt.
So bejaht nur die Hälfte aller befragten Jugendlichen: »Wir waren eine Familie«. Beschimpfungen durch einen oder beide Elternteile seien eher die Regel als die Ausnahme. Etliche erklären unumwunden, geschlagen worden zu sein. Misshandlungen gehören zum Erfahrungsspektrum von mindestens einem Viertel der Befragten. Hierzu zählen beispielsweise Schläge mit Kabeln, Knüppeln, Peitschen, mittlere und schwere Körperverletzungen wie gebrochene Knochen, Brandmale, Narben oder auch das »Aus-der-Dusche-ziehen« eines nackten Kindes mit anschließender Prügelstrafe bis hin zu sexueller Nötigung und sexuellem Missbrauch Schutzbefohlener.
Besonders trostlos wird die Frage nach dem Gefühl der Geborgenheit in der Familie beantwortet: Rund zwei Drittel der »Kids« zweifeln daran, dass ihre Mutter sie gerne gehabt hat; noch schlechter fällt das Ergebnis bei den Vätern aus. Nicht wenige bezeichnen zumindest einen Elternteil als »Alkoholiker«. Da mag es kaum verwundern, dass der Wunsch, wieder im früheren »familiärem Rahmen« zu leben, wenig ausgeprägt ist - zumal einige »Kids« ihren leiblichen Vater nie kennen gelernt haben.
Eine besonders auffällige Rolle spielen »Scheidungskinder« und Kinder von Alleinerziehenden. Das Verhältnis von 2:1 zwischen getrennten und intakten Ehen wird von den interviewten Straßenkindern bestätigt und ist somit um etwa das Doppelte höher als in der Jugendhilfe allgemein.
Eine besondere Rolle nimmt hierbei der »Stiefvater« ein. Hierzu erläutert das DJI in der Studie »Straßenkinder« (S. 114/1995): »In den neuen Partnerschaften der Eltern haben Kinder häufig auch das Gefühl, nun auch noch die Mutter an den Stiefvater zu verlieren. Oder es kommt, (...), zu Situationen, in denen sich das Kind innerhalb der neu zusammengesetzten Familie als störend empfinden muss.«
Anders die Instanz Schule: Sie ist offenbar kein auslösender Faktor für den Gang auf die Straße. Die DJI-Studie hierzu (S. 124): »Schule hat für die Erklärungsansätze der befragten ExpertInnen zur Entstehung von Straßenkarrieren nur eine untergeordnete Bedeutung.«
Dies sehen auch die seit 1993 befragten Straßenkinder so, wenngleich sich häufig recht lange vor der Flucht auf die Straße ein »schulischer Niedergang« abgezeichnete. (Vereinzelt besuchen Straßenkinder trotz ihrer Lebensumstände weiterhin die Schule.)
Mehr als drei Viertel der Befragten berichten davon, bereits in Jugendhilfeeinrichtungen gewesen zu sein.
Abschließend ist festzuhalten, dass nur die wenigsten Straßenkinder ein geordnetes Zuhause mit liebevollen Eltern hatten. Trotzdem kann es auch in solchen Idealfällen zur Katastrophe kommen, etwa durch überraschendes Versterben der Eltern (Unfall) und die Verkettung unglücklicher Umstände.
Beziehungslosigkeit, Vertrauensmangel und vor allem Vernachlässigung prägen die Biographien. Deutliche Geborgenheits-Mangelfaktoren treiben Kinder und Jugendliche in Deutschland auf die Straße, die sie (zunächst) »erträglicher« empfinden als das zuletzt erlebte Ambiente.
Sind die Kinder und Jugendlichen erst einmal auf der Straße, nennen sie stichhaltige Gründe für die Aufgabe der letzten Lebensform. Weit mehr als die Hälfte der Kids ist gegangen, »... weil ich es zu Hause nicht mehr ertragen habe«. Weitere, dominierende Gründe sind »Rausschmiss« oder auch das »Coming-Out« (Bekenntnis zur Homosexualität bei Jungen).
Materielle Not scheint keine unwesentliche, wohl aber eine zweitrangige Rolle zu spielen. Hierin liegt der gravierende Unterschied zu Straßenkindern beispielsweise in Südamerika, die in den meisten Fällen in einer »von Armut und Kriminalität gekennzeichneten Umwelt überleben« (vgl. Dücker, Uwe von: »Die Kinder der Straße - Überleben in Südamerika«, Frankfurt 1992).
Über die geographische Herkunft von Straßenkindern in Deutschland herrscht nach wie vor Konfusion. Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) resümiert in seinem Zwischenbericht zur Studie »Straßenkinder« nach zahlreichen Expertengesprächen vorsichtig: »Die Mehrzahl der Streetwork-KlientInnen stammt aus der entsprechenden Großstadt oder aus angrenzenden Kleinstädten bzw. dem ländlichen Raum.« (S. 44 / 1995)
Aus der eigenen, mehrjährigen Beobachtung von Straßenkindern resultiert jedoch anderes: Weit mehr als die Hälfte der befragten Kids stammt aus Orten, die mindestens hundert Kilometer vom gegenwärtigen Aufenthaltsort entfernt liegen. Die ursprüngliche »Heimat« der Kids sind weniger Großstädte, sondern sehr viel häufiger kleinere Städte und der ländliche Raum.
Großstädte haben für Straßenkinder eine andere, wichtige Bedeutung. Das DJI hierzu: »Die entweder aus Heimen und Familien geflüchteten oder hinausgeworfenen Jugendlichen finden - nach Aussage der Streetworker - in den City-Zonen der großen Städte mehr Möglichkeiten des Untertauchens, des Überlebens und der Kontaktbildung zu anderen Jugendlichen.« (S. 44 / 1995)
Diese Einschätzung lässt sich aus den eigenen Interviews mit Straßenkindern belegen: Nahezu zwei Drittel bestätigen, dass sie in Großstadtszenen ihre besten Freunde gefunden haben, und fast alle legten Wert auf die Feststellung »Hier bin ich nicht alleine«. Vor allem suchen sie Schutz durch Anonymität.
Und nun mal im Ernst, kann (darf) das sein?
Quelle:
http://www.cirkus-unwahrscheinlich.de/mo...e=article&sid=4Köln
Einzelschicksale
Bis zu 2500 Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren geraten in Deutschland jährlich auf die Straße. Etwa dreihundert davon trifft das Schicksal hart: Sie werden zu Straßenkindern, die vor Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch geflohen sind und ihr Überleben mit Bettelei, Prostitution oder Kleindiebstahl sichern müssen. Zwar ist dies angesichts von mehr als 80 Millionen Menschen hierzulande eine verschwindend geringe Anzahl an Einzelschicksalen, wohl aber Anlass, tätig zu werden. Die meisten sind 13 Jahre und älter. Es sind ebenso viele Mädchen wie Jungen. Viele kommen aus ländlichen Gebieten und suchen die Anonymität der Großstädte. Dennoch: Sie träumen von Normalität und Geborgenheit. Sie sind häufig unauffällig, stammen aus allen Gesellschaftsschichten und finden sich keineswegs nur unter bunthaarigen Punks. Sie möchten wieder zur Schule gehen oder eine Ausbildung beginnen.
Quellehttp://www.offroadkids.de/Unsere-A...felder.9.0.html einfach nur Beispiele
